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Sachgüter als Geldanlage: Verbraucher am nicht-geregelten (Kapital-)markt


I. Einleitung

„Möchten Sie Steuern sparen?” – „Glauben Sie, dass Ihre Rente sicher ist?” Mit solchen und ähnlich suggestiven Fragen werden Verbraucher in Deutschland häufig angesprochen, in ein Verkaufsgespräch verwickelt und schließlich zu einer Geldanlage am nicht-geregelten („Grauen”, vgl. III.) Kapitalmarkt überredet. Die Mitarbeiter von Unternehmen, die solche Produkte vertreiben, sind oft psychologisch geschult und verstehen es, die (menschlichen) Schwächen ihrer Kunden gezielt für den Vertrieb ihrer Produkte auszunutzen. Angesprochen wird einerseits die Gier, vor allem aber auch die Angst und Unsicherheit vieler Verbraucher im Zusammenhang mit der Altersvorsorge. Des weiteren trägt das – jedenfalls in Deutschland – selbst für Experten kaum durchschaubare Dickicht der Steuergesetze dazu bei, dass es den als „Beratern” auftretenden Vertriebsmitarbeitern möglich ist, ihren am Finanzmarkt unerfahrenen Kunden geradezu wahnwitzige Anlagemodelle unterzujubeln. In vielen Fällen wird in den Verkaufsgesprächen der Eindruck vermittelt, dass es für eine Geldanlage nicht einmal notwendig sei, über ein Mindestmaß an Eigenkapital zu verfügen, sondern das anzulegende Kapital ohne weiteres über eine Bank finanziert werden könne. Richtig ist, dass eine Kapitalbeschaffung bei den Banken tatsächlich selten auf Widerstand stößt. Wer solche Anlagemodelle allerdings nüchtern betrachtet, wird sich die Frage stellen: „Wer nimmt schon einen Kredit auf, um das Geld anschließend auf einem Sparbuch anzulegen?” (so Bergk/Strube in: Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], Erwerbermodelle, 3. Auflage [2002], S. 8). Für die betroffenen Verbraucher geht es in solchen Fällen oft um sehr viel Geld. Und die Schicksale der von einer gescheiterten Geldanlage betroffenen Verbraucher kann man vielfach nicht anders als tragisch nennen. Manchmal kann allein die in Deutschland seit einigen Jahren bestehende Möglichkeit der Verbraucherinsolvenz dazu beitragen, dass eine übereilte, aber folgenreiche Entscheidung für eine Anlage am „Grauen” Kapitalmarkt einen menschenwürdigen Ausgang findet. Tragisch – dies sei nur nebenbei bemerkt – sind in manchen Fällen auch die Schicksale der in den Vertrieb eingebundenen „Berater”, deren Erfahrung am Finanzmarkt die ihrer Kunden vielfach tatsächlich nicht oder nur unwesentlich übersteigt. Erfolgreich verkaufen - dies scheint das Kalkül mancher Vertriebsorganisation zu sein - kann nur, wer von dem eigenen Produkt selbst überzeugt ist. Und dies bedeutet für die von vornherein zum Scheitern verurteilten Geldanlagemodelle: Die eingesetzten „Berater” müssen sich intellektuell gewissermaßen auf dem Niveau ihrer Kunden bewegen. Und so verwundert es nicht, dass scheinbar auch die Verträge der „Berater” zu den Vertriebsorganisationen zwar einerseits die Auszahlung erheblicher Provisionen vorsehen und damit zunächst einen aufwendigen Lebensstil ermöglichen, im einzelnen aber in eine Abhängigkeit führen, die alle bei der Akquise neuer Kunden eventuell aufkommenden Skrupel praktisch ausschließen. Es sind bereits Fälle bekannt geworden, in denen die Betroffenen aus dieser Abhängigkeit keinen Ausweg mehr gesehen und Selbstmord verübt haben.

II. Gang der weiteren Darstellung

Diese einleitend nur angedeuteten Szenarien spielen sich überwiegend auf einem „Marktplatz” ab, der in Deutschland oft als „Grauer Kapitalmarkt” bezeichnet wird. Im Folgenden wird zunächst formal, d.h. vor allem im Vergleich zum geregelten, organisierten Markt, aber auch anhand einiger Beispiele aus dem Bereich der Sachgüteranlagen dargestellt, was unter dem Begriff im Allgemeinen zu verstehen ist (III.). Genauer untersucht wird daran anschließend im Besonderen das sogenannte „Erwerbermodell” (IV.). Anhand dieses für die Verbraucher oftmals ruinösen Anlagemodells zeigt sich besonders deutlich, dass der Schutz der Verbraucher – dies wird in einem Resümee (V.) darzulegen sein – bei Geldanlagen in Sachgüter am (nicht-geregelten) Grauen Kapitalmarkt zu kurz greift bzw. rechtlich an der falschen Stelle ansetzt.

III. Der sogenannte „Graue Kapitalmarkt”

1. Der Graue Kapitalmarkt als nicht-geregelter, nicht-organisierter Markt
Der Begriff des Grauen Kapitalmarktes wird nach einem formalen Verständnis häufig verwendet, um die dort angebotenen Produkte von denen des geregelten, organisierten Marktes abzugrenzen (vgl. Zimmer, Der Betrieb [DB] 1998, S.969). Logisch betrachtet ist der so verstandene Graue Kapitalmarkt also negativ definiert und lässt sich nur über eine Bestimmung des Begriffs des geregelten, organisierten Kapitalmarktes handhaben. Der geregelte, organisierte Markt ist, so lässt sich allgemein sagen, gekennzeichnet durch eine staatliche Kontrolle. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass es einen umfassend sich selbst überlassenen Markt ohne jegliche staatliche Kontrolle im Sinne eines rechtsfreien Raumes nicht gibt. Selbstverständlich unterliegt etwa auch ein am Grauen Kapitalmarkt begründeter Anspruch, dies ist über Art. 19/4 des deutschen Grundgesetzes sogar verfassungsmäßig garantiert, der gerichtlichen Kontrolle. Für den geregelten, organisierten Kapitalmarkt gelten allerdings besondere Regelungen. Insbesondere bedürfen die am geregelten Markt tätigen Unternehmen und auch die von ihnen vertriebenen Produkte einer staatlichen Zulassung und werden durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) überwacht (näher: Hösch, Gewerbearchiv [GewArch] 1999, S. 135f.). Der Anwendungsbereich der in diesem Zusammenhang einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist in Deutschland zuletzt nach Maßgabe europäischer Richtlinien zur Harmonisierung der Banken- und Wertpapierhandelsaufsicht in der Europäischen Gemeinschaft erweitert worden (6. Novelle zum Kreditwesengesetz, 05.06.1997, Bundesgesetzblatt I, S. 2518 – dazu weiterführend: Zimmer, Der Betrieb [DB] 1998, S.969ff.).
2. Grauer Kapitalmarkt im weiteren Sinne
Gegen jene - soeben erläuterte - formale Abgrenzung des Grauen Kapitalmarktes vom geregelten, organisierten Markt wird von Anlegerschützern mit einiger Berechtigung eingewandt, dass sie in zweierlei Hinsicht wenig ergiebig ist. Zwar scheint der nicht-geregelte, nicht-organisierte Kapitalmarkt insbesondere der kriminellen Energie mancher Anbieter einen größeren Spielraum zu lassen. Es muss aber zum einen berücksichtigt werden, dass weder die am ungeregelten Markt tätigen Unternehmen noch deren Angebote notwendig unseriös sind. Zum anderen sind auch die der besonderen staatlichen Kontrolle unterliegenden Anlagemodelle keinesfalls immer „weiß” (Bergk/Strube in: Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], Rechtsfragen des Grauen Kapitalmarktes, 1. Auflage [2003], S. 9). Tatsächlich besteht bei der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Geldanlagemodell sogar die Gefahr, dass unerfahrene Anleger den Umstand der staatlichen Beaufsichtigung als eine Art Garantie für die Seriosität eines Produkts oder Anbieters mißverstehen, die der Staat in Wahrheit nicht gewährleistet bzw. gewährleisten kann. Realisiert ein Anleger schließlich, dass etwa das ihm empfohlene Altersvorsorgemodell gescheitert ist, so bringt ihm die Erkenntnis, dass der Anbieter und das Produkt der staatlichen Aufsicht unterliegen, kaum Vorteile. Und ein effizienter Schutz der Anleger vor betrügerischen Anbietern schließlich kann über eine solche Aufsicht schon gar nicht erreicht werden. Denn solche Anbieter fühlen sich typischerweise weder an allgemeine noch an besondere Regeln des Marktes gebunden. Vor diesem Hintergrund scheint es angebrachter, den Grauen Kapitalmarkt, insofern er aus der Sicht der Anleger ein Problemfeld beschreiben soll, in einem weiteren Sinn als für den Anleger besonders riskant zu definieren.
3. Riskante und betrügerische Angebote
Nach einem solchen Verständnis des Grauen Kapitalmarktes kann man mit Bergk/Strube (in: Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], Rechtsfragen des Grauen Kapitalmarktes, 1. Auflage [2003], S. 9) wiederum unterscheiden zwischen solchen Angeboten, die trotz ihres spekulativen Charakters unter Umständen eine gewisse Aussicht auf Ertrag bieten (riskante Angebote), und solchen Anlagemodellen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind (betrügerische Angebote). Als per se betrügerisches Angebot lässt sich im Bereich der Sachgüterinvestitionen etwa der Handel mit Diamanten einstufen. Diamanten mögen nach landläufiger Einschätzung gewissermaßen als Manifestation inflationssicheren Reichtums („Ein Diamant hält ewig”) galten, lassen sich tatsächlich aber – wenn es sich nicht ohnehin um wertlose Plagiate handelt – kaum und schon gar nicht mit nennenswertem Gewinn wieder verkaufen. Ähnliches gilt für den aktuell (Juni 2004) anläßlich der Fußballeuropameisterschaft florierenden Handel mit Euromünzen, die in „limitierter” Auflage angepriesen werden, aber mehr als hunderttausend Mal verkauft werden, so dass eine Wertsteigerung praktisch ausgeschlossen ist (vgl. „Mit Gedenkmünzen in der Abseitsfalle” www.verbraucherzentrale-nrw.de/em-muenzen). Auch am Markt für Time-Sharing-Angebote, d.h. beim Verkauf von dauernden Wohnrechten in einer Ferienanlage, ist trotz der vor einigen Jahren begründeten gesetzlichen Regulierung, nach wie vor ein erhebliches kriminelles Potential der Anbieter zu beobachten. Hier hilft den Betroffenen das gesetzlich eingeräumte Recht zum Widerruf entsprechender Verträge nicht weiter, wenn der Vertragspartner schon bei Vertragsschluss eine Anzahlung oder sogar den vollständigen Kaufpreis kassiert hat und später nicht mehr auffindbar ist. Weder bei Time-Sharing-Angeboten noch bei sonstigen Immobilienanlagemodellen lässt sich jedoch pauschal, d.h. ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, ein betrügerischer Charakter behaupten. Auch die objektiv mit Immobilienanlagemodellen verbundenen Risiken sind, wie im Folgenden am Beispiel des sogenannten „Erwerbermodells” gezeigt werden soll, relativ. Allgemein lässt sich nur sagen, dass diese Angebote im Regelfall so strukturiert sind, dass der Anleger ohne unabhängige, professionelle Hilfe nicht abzuschätzen vermag, ob das konkrete Modell für ihn auf der Grundlage seiner individuellen Vermögens- und Einkommensverhältnisse sinnvoll ist oder geradewegs in die private Insolvenz führt.

IV. Insbesondere: Das sogenannte „Erwerbermodell”

Anlagemodelle, in deren Zentrum der über eine Bank finanzierte (teilweise) Erwerb einer fremdgenutzten Immobilie steht, spielen am Grauen Kapitalmarkt in Deutschland eine herausragende Rolle. Hintergrund dessen ist erstens die im Prinzip richtige Einschätzung der Anleger, dass sich über die Mietzahlungen der Bewohner der Immobilie zeitlich unbefristet wiederkehrende und proportional mit einer möglichen Inflation steigende Einnahmen erzielen lassen. Insofern eignet sich eine solche Geldanlage für die individuell kaum kalkulierbaren Kosten der Altersversorgung ganz besonders. Zweitens gibt es aus der Sicht des Anlegers in Deutschland kein Anlagemodell, dass auch nur annähernd in ähnlicher Weise durch den Staat gefördert wird. Gefördert wird freilich nicht explizit das „Erwerbermodell”, sondern allgemein der Erwerb von Immobilien. In manchen Fällen ist auch mehr oder weniger offensichtlich, dass der Gesetzgeber beim Erlass entsprechender steuerlicher oder sonstiger begünstigender Gesetze vor allem zum Erwerb einer Immobilie zur eigenen Nutzung hat ermutigen wollen. Auf der Grundlage dieser Begünstigungen hat sich am Grauen Kapitalmarkt indes eine Vielzahl von Geldanlagemodellen entwickelt, die durch das Angebot eines „Service-Pakets” aus Kauf, Finanzierung, Vermietung und Verwaltung der Immobilie gekennzeichnet sind (Bergk/Strube in: Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], Rechtsfragen des Grauen Kapitalmarktes, 1. Auflage [2003], S. 13). Zu einem Paket zusammengefasst sind diese Leistungen allerdings typischerweise nur im Rahmen des Vertriebs. Der Anleger erhält jene „Service-Leistungen” also nicht etwa aus einer Hand, sondern schließt (jedenfalls bei bloß formal-juristischer Betrachtungsweise) eine Vielzahl von Verträgen mit einer Vielzahl verschiedener Vertragspartner ab. Im Einzelnen lässt sich bei den Erwerbermodellen noch weiter unterscheiden zwischen solchen, die den Kauf eines Neubaus („Bauträgermodell”), einer schon fertiggestellten Wohnung („Erwerbermodell” [i.e.S.]) oder eines zu sanierenden Altbaus („Altbausanierungsmodell”) vorsehen. Oft wird die Immobilie auch nicht direkt vom Anleger, sondern über einen Fonds (sog. „geschlossene Immobilienfonds”, „Immobiliensparfonds” oder „Eigenkapitalfonds”) gekauft, an denen der Anleger eine Beteiligung erwirbt.

1. Risiken des Erwerbermodells
Auch wenn sich beim Erwerbermodell – wie schon gesagt worden ist – eine pauschale Beurteilung verbietet, so handelt es sich doch auch hier in vielen Fällen schlicht um Betrug. Dabei ergibt sich die Möglichkeit einer Täuschung vor allem dadurch, dass der Kunde das erworbene Objekt regelmäßig nicht in Augenschein nehmen kann und meist auch nicht in der Lage ist, dessen Wert abzuschätzen. So können dem Anleger – dies war in den letzten Jahren vor allem bei in den Städten der ehemaligen DDR belegenen Objekten ein bedeutsamer Faktor - für tatsächlich nur schwer oder gar nicht vermietbare Wohnungen völlig unrealistische Mieteinnahmen in Aussicht gestellt werden. Des weiteren ist es beim Vertragsschluss fernab vom Objekt ohne weiteres möglich, schwerwiegende Gebäudeschäden zu verschweigen, die dem neuen Eigentümer oft erst so spät zur Kenntnis gelangen, dass entsprechende die Gewährleistung schon verjährt ist. Letzteres hängt wohl auch damit zusammen, dass die Entwicklung des „Erwerbermodells” typischerweise in den ersten Jahren dem vom „Berater” vorgerechneten Modell entspricht, der Anleger also zunächst einmal keinen Anlass zur Sorge hat. Erreicht wird diese anfänglich positive Entwicklung meist über eine in das Modell einkalkulierte Mietgarantie, d.h. das Versprechen eines Dritten für den durch eventuellen Mietausfall entstehenden Schaden der Anleger einzustehen. Diese Garantie freilich - das wird von den Anlegern häufig übersehen und von den „Beratern” gern verschwiegen - ist nur, so weit und so lange der Garant solvent ist, von Nutzen. Ist der Mietausfall aber nicht die Ausnahme, sondern die Regel, ist die Insolvenz des Garanten praktisch vorprogrammiert. Und die dadurch – trotz der Garantie - beim Anleger entstehenden Ausfälle können vor allem vollfinanzierte Erwerbermodelle, bei denen die Mieteinnahmen vollständig zur Ablösung eines Kredits vorgesehen sind, im Handumdrehen scheitern lassen. Das gleiche gilt für nicht einkalkulierte nachteilige Änderungen der Gesetzeslage oder unerwartet hohe Kosten im Zusammenhang mit der Erhaltung der Immobilie. Stellt sich schließlich heraus, dass die erworbene Immobilie nur weit unter dem Kaufpreis oder gar nicht verkauft werden kann, kann sich der Anleger von seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Kreditvertrag offenbar nur über eine private Insolvenz befreien.

2. Anlegerschutz durch Widerrufsrecht
In der deutschen Rechtsprechung und Fachliteratur haben gescheiterte Erwerbermodelle und die damit verbundenen Schicksale eine intensive Diskussion ausgelöst. Ansatzpunkt dieser Diskussion, an der sich neuerdings auch der Juristische Dienst der Europäischen Kommission beteiligt (vgl. Schriftsatz vom 2. Dezember 2003 – JURM(03)12097 – JS/hve [http://www.money-advice.net/media.php?id=1117]), sind die für das „Erwerbermodell” typischen Umstände des Vertriebs. Verkauft werden die genannten „Service-Pakete” häufig außerhalb von Geschäftsräumen, weshalb die dabei abgeschlossen Verträge dem Anwendungsbereich der zum Schutz der Verbraucher erlassenen europäischen Richtlinie 85/577/EWG (in Deutschland umgesetzt im sogenannten Haustürwiderrufsgesetz bzw. [seit 01.01.2002] in § 312 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) unterliegen. Hinsichtlich des – die Anleger in erster Linie belastenden - Kreditvertrages ist ein wegen dieser Vertriebsform bestehendes Widerrufsrecht durch den Bundesgerichtshof allerdings erst nach einer Rüge durch den Europäischen Gerichtshof („Heininger” [C-481/99]) anerkannt worden und wird durch die Gerichte seitdem weitestgehend formal-juristisch angewendet (vgl. Bundesgerichtshof - 10.09.2002 - XI ZR 151/99). Im Ergebnis ist der Widerruf des Kreditvertrages damit für den Anleger für den Anleger sogar nachteilig. Denn bei formaler Betrachtungsweise muss der Anleger den Kredit nach einem Widerruf nicht wie vereinbart erst zu einem späteren Zeitpunkt, sondern sofort und in voller Höhe zurückzahlen. Einige Autoren (z.B. Hoffmann, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht [ZIP] 2002, S. 1066ff.) halten dieses Ergebnis für nicht angemessen und meinen, dass der wirtschaftliche Zusammenhang des Kreditvertrages mit der gescheiterten Geldanlage (das „Service-Paket”) stärker berücksichtigt werden muss. Dieser Kritik scheint der Bundesgerichtshof in einer Reihe ganz neuer Entscheidungen vom 14. Juni 2004 (II ZR 392/01 [395/01, 374/02, 385/02, 393/02 und 407/02] ), in denen - wegen jenes wirtschaftlichen Zusammenhangs - ein sogenannter Einwendungsdurchgriff befürwortet worden ist, auch nachzugeben. Hier ist es den Anlegern zugebilligt worden, die weitere Abzahlung eines Kredits, mit dem ein Anteil an einem gegen die Interessen der Anleger verwalteten Immobilienfonds erworben werden konnte bzw. sollte, zu verweigern. Grund dafür soll zum einen das Recht des Anlegers, von den Fondsverantwortlichen Schadensersatz zu verlangen, sein. Zum anderen soll sich diese Rechtsfolge auch aus dem Recht zum Widerruf der Verträge nach § 312 BGB ergeben.

IV. Fazit

Nach alledem lässt sich sagen, dass ein besonderer Schutz der Verbraucher am Grauen Kapitalmarkt vor allem in den Fällen notwendig erscheint, in denen das Volumen der Geldanlage einen Kredit erforderlich macht. Dabei ist die neueste Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Zusammenhang mit finanzierten Anteilen an Immobilienfonds sicherlich erfreulich. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass den Anlegern ein Widerruf der Verträge in den entschiedenen Fällen nur deshalb noch möglich war, weil insbesondere die Banken seinerzeit – rechtsirrtümlich - in ihren Vertragsformularen keine Belehrung über das Widerrufsrecht aufgenommen hatten. Solche Konstellationen sind nach dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Zukunft nicht mehr zu erwarten. Und damit beschränkt sich der über die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vermittelte Schutz der Anleger gegenüber den Banken auf die nachweislich betrügerisch konzipierten Anlagemodelle. Letztlich scheint aber auch insbesondere bei den sogenannten „Erwerbermodellen” nicht allein die beim Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen typischerweise nur eingeschränkt mögliche Willensbildung der umworbenen Anleger zentrales Problem zu sein. Schutz verdienen die Anleger vielmehr schon deshalb, weil die Produkte selbst oft so undurchsichtig sind, dass eine hinreichend reflektierte Entscheidung für oder gegen ein Anlagemodell von vornherein kaum möglich ist. Es wäre daher wünschenswert, wenn dieser Umstand bei der weiteren Rechtsentwicklung berücksichtigt und sichergestellt würde, dass die Verbraucher vor einer (finanzierten) Anlage am Grauen Kapitalmarkt über die damit konkret-individuell verbundenen Risiken von einer unabhängigen Partei aufgeklärt würden.

 

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